#15: Interkontinental-Klinker
#15: Interkontinental-Klinker

#15: Interkontinental-Klinker

Sie ist (seit der Wiedervereinigung erneut) eine zentrale Verkehrsader Berlins und feierte 2022 das 140. Jubiläum ihres Bestehens: Die viergleisige Stadtbahnstrecke zwischen Charlottenburg und Ostbahnhof. Auf ihrer Länge von etwas mehr als 11 Kilometer rollen täglich um die 600 S-Bahn-Züge und 300 Regional- sowie Fernverkehrszüge; allein auf dem kurzen Abschnitt zwischen Friedrichstraße und Hackeschem Markt wurden im Jahr 2018 durchschnittlich 230000 Passagiere in 24 Stunden befördert.

Von 1875 bis 1882 als Verbindungslinie zwischen den Fernbahnhöfen der Ringbahn und der Innenstadt erbaut, sind acht Kilometer der Strecke als Hochbahn auf gemauerten, sechs Meter hohen Viadukten angelegt. Deren für Berlin inzwischen charakteristische Bögen – 731 waren es zur Eröffnung an der Zahl – beherbergen bis heute hauptsächlich Gastronomie und Einzelhandel.

An Planung und Konstruktion der Stadtbahn beteiligt war der Ingenieur Hermann Rumschöttel (1844-1918), seines Zeichens königlich preußischer Baurat. Auf Bitte der japanischen Bahnbetriebsgesellschaft Nippon Tetsudô folgte er im Jahr 1887 einem Ruf nach Tôkyô. Dort hatte die Verkehrsplanung ihrerzeit ein zu Berlin nicht unähnliches Problem: Es galt, eine Streckenlücke im Zentrum der Stadt zu schließen, und zwar zwischen den Bahnhöfen Ueno im Norden und Shinbashi im Süden, wobei auf der neuen Trasse auch der Tôkyôter Hauptbahnhof entstehen sollte.

Auf Rumschöttels Vorschlag entschieden seine verantwortlichen japanischen Kollegen Sengoku Mitsugi (1857-1931) und Hirokawa Koshiro, sich in der Ausführung an das Berliner Viaduktprinzip anzulehnen; es dauerte jedoch noch viele Jahre, bis begonnen werden konnte, das Projekt zu verwirklichen. In dieser Zeit war Rumschöttel bereits nach Deutschland zurückgekehrt; als technischer Berater folgte ihm – nun direkt im Dienst der japanischen Regierung – der Dresdner Ingenieur Franz Baltzer (1857-1927) nach, der zwar eine Stahlkonstruktion bevorzugt hätte, aber aus praktischen Gründen letztlich einlenkte. Die Bauarbeiten begannen im Jahr 1900 und dauerten insgesamt 14 Jahre.

Wie an der Spree werden auch in Tôkyô die Viaduktbögen kommerziell genutzt, speziell zwischen den Bahnhöfen Shinbashi und Yurakuchô nahe der Ginza. Manche Film- und Fotoaufnahmen der Gegend erinnern überraschend stark an Charlottenburg oder Mitte. Deutsche Restaurants wurden dort auch gesichtet. Erscheint angesichts diverser Sushibars unter der Berliner Stadtbahn nur fair.

(Vielen lieben Dank an M Andrea für die Inspiration zu diesem Sammelsurium!)


Bildhaftes und Tönendes

* https://www.youtube.com/watch?v=Z8RlQGv_zpQ – Yurakuchôs Restaurants unter den Bahngleisen

Maplinks

* https://www.openstreetmap.org/?mlat=35.6809&mlon=139.7673#map=15/35.6809/139.7673 – Hauptbahnhof Tôkyô
* https://www.openstreetmap.org/?mlat=35.71359&mlon=139.77682#map=17/35.71359/139.77682 – Bahnhof Ueno
* https://www.openstreetmap.org/?mlat=35.6660&mlon=139.7582#map=16/35.6660/139.7582 – Bahnhof Shinbashi


Mehr Lesestoff

* https://visit-chiyoda.com/marunouchi-yurakucho-architecture-walk/ – Architektonischer Spaziergang zwischen Tôkyôter Hauptbahnhof und Yurakuchô
* https://japanin.berlin/teleportation-zwischen-s-bahn-boegen-in-berlin-tokio/ – Japan in Berlin: Teleportation zwischen Berlin und Tôkyô
* https://digital.zlb.de/viewer/image/15453195/1/ – Berliner Stadtplan von 1883, bereits mit der neuen Stadtbahnstrecke, jedoch noch ohne die Bahnhöfe Savignyplatz und Tiergarten
* https://www.dbregio-berlin-brandenburg.de/db-regio-no/aktuelles/punkt3/Happy-Birthday-Berliner-Stadtbahn–7271932 – Happy Birthday, Berliner Stadtbahn!
* https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/02/bahn-stadtbahn-berlin-140-jahre-viadukt-ostbahnhof-zoo-charlottenburg.html – Über 731 Bögen musst du fahren
* https://epilog.de/berliner-stadtbahn.enzyklopaedie-des-eisenbahnwesens.1912 – Enzyklopädie des Eisenbahnwesens 1912: Berliner Stadtbahn