“Hygiene” war in den vergangenen zwei Jahren aus bekannten Gründen ein diskursbestimmendes und sicherlich auch lebensrettendes Schlagwort. Ein anerkennendes Nicken gebührt hier dem Universalgelehrten Johann Sigismund Elsholtz (1623-1688), Schöpfer des heutigen Kleistparks in Berlin-Schöneberg (ursprünglich als Küchengarten des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg angelegt) und Namensgeber der heutigen Elßholzstraße, die westlich am Park entlang führt.
Elsholtz war (kurioserweise) in seinem Kochbuch „Diaeteticon“ von 1682 der erste Autor des deutschen Sprachraums, für den der Begriff „Hygiene“ nachweisbar ist. Er verwendete ihn bereits im Sinne eines allgemeinen Gesunderhaltungsbestrebens durch saubere Nahrung, reine Luft und noch heute so aktuell erscheinend wie im 17. Jahrhundert:
„Obgleich heut zu tage das Theil der Arzneykunst / HYGIENE oder Medicina hygiastica genant […] bey den meisten theils aus Unbedachtsamkeit/theils aus einer wüsten und halb barbarischen Frecheit verächtlich gehalten wird : ja obgleich die Menschen die Würde der Gesundheit ehe nicht / bis sie kranck werden / erkennen / und bis sie das herzliche Gutt / welches sie besessen / verlohren haben: Jedennoch stehet es einem Verständigen besser an / daß er den thewren Schatz der Gesundheit […] vielmehr sorgfältig bewahre / als denselben / nachdem er verlohren / mit mühe und gefahr wiedersuche.“ (S. 1)
Nebenbei findet sich in diesem Buch noch die Erstbeschreibung der Berliner Weißen. Ohne Schuss allerdings, und auch noch nicht unter diesem Namen:
“Das Berlinische / und […] das Cotbussche Weitzen=Bier : welche beyde also beschaffen / daß man sie im mangel eines guten Brühans brauchen kan.” (S. 298)
Der Tätigkeits- und Interessenschwerpunkt Elsholtz‘ lag auf der Botanik (er war auch bei der Anlage des Berliner Lustgartens beteiligt), allerdings war er Mediziner von Profession und forschte als kurfürstlicher Leibarzt auch auf diesem Gebiet. Auf ihn geht eine der frühesten Beschreibungen intravenöser Injektionen sowie Diskussionen von Bluttransfusionen zurück. Er konnte damals noch nicht von der Existenz von Blutgruppen und anderen Unverträglichkeitsfaktoren wissen, so dass er als Arzt zwar für seine Epoche einiges taugte, aber etwa dort an seine Grenzen stieß, wo er sich als Paarberater verdingte. Beispielsweise schlug Elsholtz vor, schwermütigen Männern zur Aufheiterung das Blut ihrer fröhlichen Gemahlinnen zu injizieren.
Bildhaftes und Tönendes
* https://www.youtube.com/watch?v=A9IfqeGZ4AY – Der wohlerfahrne Speismeister: Kurzvorstellung des “Diaeteticon”
Mehr Lesestoff
* https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10226653_00005.html – Scan der Originalausgabe des “Diaeteticon”
* https://www.deutschlandfunk.de/blut-aus-der-retorte.740.de.html?dram:article_id=111413 – Deutschlandfunk: Blut aus der Retorte
* https://books.google.de/books?id=PSZgAAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false – “Newe Clystier=Kunst”, angiologische Abhandlung Elsholtz’ von 1665
Maplink
* https://www.openstreetmap.org/?mlat=52.49240&mlon=13.35652#map=17/52.49240/13.35652 – Elßholzstraße am Kleistpark