Zwischen Pharaonen und preußischen Generälen halten sich die biographischen Parallelen erfahrungsgemäß in Grenzen. Üblicherweise gehörte es zum Beispiel nie zu den hiesigen Gepflogenheiten, Verblichene mit Natron auszutrocknen und in Bandagen einzuwickeln. Auch wurde sicherlich kein altägyptischer König mit Kartoffelsuppe aufgezogen. Und doch gibt es eine ungewöhnliche Gemeinsamkeit zwischen Cheops auf der einen Seite und einem altmärkischen Feldherrn der Befreiungskriege auf der anderen: Beiden zu Ehren wurden Pyramiden errichtet.
Zugegeben, die Pyramide von Großbeeren im Gedenken an Friedrich Wilhelm Bülow von Dennewitz (1755-1816) ist gerade einmal zehn Meter hoch (und wäre als Grabmal neunzig Jahre zu spät gekommen). Das ägyptische Pendant überragt sie mit wuchtigen 139 Metern verzwergend. Dafür ist sie allerdings mit einem 9-Euro-Ticket zu erreichen – nach Gizeh kommt mensch von Berlin aus nicht so günstig.
Die Stadt Berlin stiftete die spitze vierseitige Pyramide aus örtlichen, groben Feldsteinen im Jahr 1906. Sie erinnert an die Schlacht bei Großbeeren am 23. August 1813; ihr Standort, der Windmühlenhügel an der jetzigen Bundesstraße 101, war Hauptschauplatz des Kampfgeschehens. In dieser entscheidenden Auseinandersetzung gelang es preußischen Kräften unter dem Befehl Bülows, die Truppen des vordringenden napoleonischen Marschalls Oudinot knapp zwanzig Kilometer vor Berlin aufzuhalten. Der preußische Sieg verhinderte nicht nur eine zweite Besetzung Berlins, sondern bereitete auch die Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig (16.-19. Oktober 1813) und schließlich das Ende dessen Herrschaft vor. Eine Plakette am Bauwerk trägt die martialische Inschrift „Unsere Knochen sollen vor Berlin bleichen, nicht rückwärts“ – der Überlieferung nach ein Zitat Bülows, als er eine Rückzugsanordnung in die Hauptstadt verweigerte und vielmehr seinerseits einen Angriff auf die napoleonische Armee befahl.
Noch heute sind die Reminiszenzen an Bülow und die Schlacht bei Großbeeren in Berlin und Brandenburg mannigfaltig. Die Bülowstraße in Schöneberg als Teil des Generalszugs und die Großbeerenstraßen in Kreuzberg und Lichterfelde zeugen von der nachhaltigen Bedeutung des Ereignisses. Im Zentrum Großbeerens selbst wurde 1913 weiterhin ein Gedenkturm errichtet. Im Ort entstand die Tradition, jährlich im Sommer ein Siegesfest mit historischem Reenactment auszurichten; nach pandemisch bedingter Pause soll es 2022 wieder vom 26. bis 28. August stattfinden.
Mehr Lesestoff
* https://www.grossbeeren.de/seite/de/gemeinde/0248:282/-/Buelow-Pyramide.html – Gemeinde Großbeeren: Bülow-Pyramide
* https://vilmoskörte.de/2007/08/31/buelow-pyramide-in-grossbeeren/ – Die Pyramide in Vilmoskörtes Blog
* https://www.tagesspiegel.de/berlin/200-jahre-schlacht-von-grossbeeren-mehl-in-der-kanone/8687766.html – Tagesspiegel (25.8.2013): Mehl in der Kanone. 200 Jahre Schlacht von Großbeeren.
* https://www.grossbeeren.de/seite/de/gemeinde/1997/-/Siegesfest_vom_26-28_August_2022.html – Gemeinde Großbeeren: Siegesfest vom 26. bis 28. August 2022
Maplink
* https://www.openstreetmap.org/?mlat=52.3567&mlon=13.2976#map=16/52.3567/13.2976 – Standort der Bülow-Pyramide
* https://www.openstreetmap.org/?mlat=52.3534&mlon=13.3072#map=14/52.3534/13.3072 – Gedenkturm in Großbeeren
Bildhaftes und Tönendes
* https://www.youtube.com/watch?v=88wpY5qk04I – Eindrücke vom Siegesfest Großbeeren 2015
Trivia aus Berlin und Brandenburg