#44: Hoch die Tatzen!
#44: Hoch die Tatzen!

#44: Hoch die Tatzen!

Was ist 1,60 Meter groß, 250 Kilogramm schwer, hat eine große Nase und sieht ganz schön behaart aus?

Nein, nicht ich. WTF?

Wer öfter auf Autobahnen in und um Berlin unterwegs ist, ist diesen Wesen sicherlich schon begegnet: den Bärenskulpturen, die die Vorbeifahrenden je nach Richtung in der Hauptstadt begrüßen oder aus dieser verabschieden. Das erste Exemplar wurde bereits 1958 auf dem Mittelstreifen der A115 am früheren Grenzübergang Dreilinden aufgestellt.

Erdacht und erschaffen wurde die ursprüngliche Statue von der Berliner Bildhauerin Renée Sintenis (1888-1965), international renommiert für ihre ausdrucksstarken Tierfiguren und Künstlerin hinter der Muschelkalk-Grabplatte ihres langjährigen Freundes Joachim Ringelnatz (Sammelsurium #11). Als im Nationalsozialismus noch als „Vierteljüdin“ vielfältig diskriminierte, queere Person war es ihr in den 1950er Jahren wieder gelungen, an ihre erfolgreiche Karriere der 1910er und vor allem 1920er Jahre anzuknüpfen. So folgten bereits die ersten Goldenen Bären für die Berliner Filmfestspiele einem ihrer Entwürfe von 1932. Im Jahr 1956 wurden die Berlinale-Prämien optisch noch einmal verändert und zum Vorbild für das Autobahnexemplar, das auch als Ehrung zu Sintenis‘ 70. Geburtstag zu verstehen ist. An sie erinnern eine Gedenkplakette an der gemeinsamen Wohnstätte mit ihrer Lebensgefährtin in Schöneberg, weiterhin der Renée-Sintenis-Platz in Friedenau sowie ihr Ehrengrab des Landes Berlin auf dem Dahlemer Waldfriedhof.

Der zweite Autobahn-Bär steht – nein, sitzt – an der A111 nahe Heiligensee, wurde 1983 vom Künstler Günter Anlauf (1924-2000) gestaltet und wirkt je nach Wahrnehmung besonders gemütlich oder besonders moppelig. In jedem Fall ist er aber mit 2,80 Metern Höhe gigantisch.

Bär Nummer Drei bewacht seit dem Jahr 2008 die A113, auf Initiative und Betreiben eines privaten Vereins und nach Sintenis‘ Vorbild.

Der vierte und bisher letzte Bär ist erst seit knapp fünf Wochen zu bewundern; auch er richtet sich wieder nach dem Originalbären. Im Zuge der beendeten A114-Sanierung bei Französisch Buchholz wurde die Statue am 1. November 2022 unter dem Motto „Ick freu mir“ feierlich enthüllt.

Berliner Bärenskulpturen und -steine gibt es, vorwiegend aus der Zeit der deutschen Teilung, noch an vielen anderen Orten hauptsächlich der „alten“ Bundesländer. Besonders bekannt sind die Exemplare in Düsseldorf und München. Im Lesestoff ist eine ausführliche Liste verlinkt.

Mehr Lesestoff

* https://www.tagesspiegel.de/berlin/a114-fertig-gestellt-berlin-hat-jetzt-einen-neuen-autobahnbaren-8821231.html – Tagesspiegel (1.11.2022): Berlin hat jetzt einen neuen Autobahnbären

* http://www.strassengeschichte.de/Menueoptionen/Geschichte/HistorieGesch/BerlinerBaeren/Baeren.htm – Straßengeschichte: Berliner Bären auf Autobahnen um Berlin

* https://www.m1k.de/berlinermeilensteine.html – Bären für Berlin: Standorte

Bildhaftes und Tönendes

* https://www.potsdam.tv/mediathek/36408/Der_letzte_Berliner_Autobahn_Baer.html – Hauptstadt.TV (30.9.2022): Der letzte Berliner Autobahn-Bär

* https://www.deutschlandfunk.de/renee-sintenis-ausstellung-die-mutter-des-berlinale-baeren-100.html – Deutschlandfunk (24.10.2019): Renée-Sintenis-Ausstellung: Die Mutter des Berlinale-Bären


Maplinks

* https://www.openstreetmap.org/?mlat=52.41556&mlon=13.19709#map=18/52.41556/13.19709 – Erster Bär an der A115 bei Dreilinden (1958)

* https://www.openstreetmap.org/?mlat=52.62792&mlon=13.24170#map=17/52.62792/13.24170 – Zweiter Bär an der A111 bei Heiligensee (1983)

* https://www.openstreetmap.org/?mlat=52.40784&mlon=13.52225#map=17/52.40784/13.52225 – Dritter Bär an der A113 zwischen Schönefeld-Nord und Adlershof (2008)

* https://www.openstreetmap.org/?mlat=52.6274&mlon=13.4279#map=16/52.6274/13.4279 – Vierter Bär an der A114 am Dreieck Pankow (2022)

* https://www.openstreetmap.org/?mlat=52.4715&mlon=13.3327#map=16/52.4715/13.3327 – Renée-Sintenis-Platz in Berlin-Friedenau

* https://www.openstreetmap.org/?mlat=52.48083&mlon=13.34252#map=17/52.48083/13.34252 – Letzte Wohnstätte von Renée Sintenis in Berlin-Schöneberg