#49: Birnen-Balladen
#49: Birnen-Balladen

#49: Birnen-Balladen

Das Dorf Ribbeck im Havelland wurde im deutschen Sprachraum unsterblich bekannt durch das Birnbaumgedicht von Theodor Fontane (1819-1898). Knapp 400 Menschen leben in diesem Ortsteil von Nauen, etwa 25 Kilometer westlich der Berliner Stadtgrenze über die Bundesstraße 5 erreichbar. Der gütig-ikonische Herr von Ribbeck, der seinem knauserigen Sohn posthum ein Schnippchen schlägt, ist dabei keine völlig fiktive Figur, sondern findet eine historische Inspiration im Junker Hans-Georg Karl Friedrich Ernst von Ribbeck (1689-1759).

Den Dorfkern bildet das einstige Gutshaus der Familie, seit 1895 als Schloss ausgebaut. Nachdem es in der DDR als Senior*innenheim genutzt wurde, dient es ausgiebig saniert heute als Fontane-Museum, Restaurant und Veranstaltungszentrum. Eigentümer ist der Landkreis Havelland, seit ein Entschädigungsvergleich mit den 1947 enteigneten von Ribbecks glückte. Diese sind inzwischen wieder im Dorf ansässig und stellen Birnenspirituosen sowie Essige her.

Frühere Generationen konnten sogar den gepriesenen Melanchthon-Birnbaum über der Familiengruft hinter der Dorfkirche besichtigen, bis ihn ein Wintersturm des Jahres 1911 entwurzelte. Ein Stumpf war zu retten und ist im Kirchengebäude ausgestellt; im April 2000 wurde in der Nähe erfolgreich ein neuer Baum gepflanzt, nachdem vorherige Versuche am Ursprungsort im Wortsinne nicht fruchteten.

Die erste Person, die die Sage vom spendablen Rittersmann in Gedichtform fasste, war übrigens dessen Urenkelin Auguste Hertha von Witzleben (1851-1927). Bereits vierzehn Jahre vor Fontane, im Jahr 1875, verfasste sie anlässlich des 500-jährigen Familienjubiläums die folgenden Zeilen:

Zu Ribbeck an der Kirche ein alter Birnbaum steht,
der mit den üpp’gen Zweigen der Kirche Dach umweht.
Von hohem Alter zeuget der Stamm, so mächtig stark,
wächst schier aus dem Gemäuer wie aus der Kirche Mark.

Von diesem alten Birnbaum geht eine Sage hier,
sie war als Kind zu hören stets eine Wonne mir:
Ein alter Ribbeck, heißt es, war Kindern hold gesinnt,
wohl hundertmal beschenkt er im Dorfe jedes Kind.

In allen Kleidertaschen er Birnen, Äpfel hat,
gab stets mit beiden Händen, gab gern, genug und satt.
Und als er kam zu sterben, man in den Sarg ihn legt,
denkt nicht an seine Taschen, darin er Birnen trägt.

Und in dem nächsten Frühjahr wächst aus der Wand am Tor,
sproßt aus dem Erbbegräbnis ein Bäumlein grün hervor.
Der Alte, der im Leben die Kinder so geliebt,
nun noch in seinem Sarge den Kindern Freude gibt.

Im Herbst viel kleine Birnen der Baum streut auf den Sand,
und heut noch greift mit Jubel danach der Kinder Hand.
Die Abendschatten sanken hernieder allgemach,
da ward in meiner Seele die alte Sage wach.


Mehr Lesestoff

* https://www.deutschland-lese.de/streifzuege/balladen/ribbeck-im-havelland/ – Deutschland-Lese: Ribbeck im Havelland

* https://www.schlossribbeck.de/ – Schloss Ribbeck

* https://dblt.de/index.php/essen-trinken/dibbezauber/114-obstbau-im-odenwald/3878-haetten-sie-das-gedacht-kuriositaeten-vom-strassenrand.html – Das Gedicht Auguste Hertha von Witzlebens von 1875

* https://de.wikisource.org/wiki/Herr_von_Ribbeck_auf_Ribbeck_im_Havelland_(Fontane) – Das Fontane-Gedicht von 1889

Maplink

* https://www.openstreetmap.org/?mlat=52.62636&mlon=12.75257#map=18/52.62636/12.75257 – Standort des neuen Birnbaums


Bildhaftes und Tönendes

* https://www.youtube.com/watch?v=BbUJZcgmmKY – Kulturverein Ribbeck e. V.: Das Schloss Ribbeck im Havelland

* https://www.youtube.com/watch?v=dYvM97Wwhds – Landträume: Havelland – Birnbäume, Fontane, Ribbeck und Sommerfrische